Wien ViennaTo the
OSCE Parliamentary Assembly
c/o President of the OSCE Parliamentary Assembly Margareta Cederfeldt,
Tordenskjoldsgade 1
1055 Copenhagen K
Denmark
Ein Jahr des Krieges ist zu viel!
Waffenstillstand – Dialog – Friedensverhandlungen jetzt

Sehr geehrte Frau Präsidentin Margareta Cederfeldt,

wir begrüßen es sehr, dass Österreich die völkerrechtliche Verpflichtung einhält und zugesichert hat, dass allen Vertreter*innen der russischen Regierung für die Parlamentarische Versammlung der OSZE ein Visum erteilt wird. Wir begrüßen es weiterhin, dass Russland wieder an der Parlamentarischen Versammlung in Wien am 23. und 24. Februar 2023 teilnehmen wird. Die OSZE ist ein politisches Dialogforum. Dialog und Verhandlungen sind in Kriegszeiten herausfordernd, aber dringend geboten.

Die OSZE ist die einzige Sicherheitsorganisation, in der alle auf Augenhöhe an einem Tisch sitzen, die für die europäische Sicherheitsarchitektur von Bedeutung sind. Sie ist im Kalten Krieg aus der Konfrontation entstanden und von Ländern gegründet worden, die damals – sehr unterschiedliche Interessen hatten, aber eine Eskalation verhindern wollten.

Mit 57 Mitgliedsstaaten ist die OSZE die einzige sicherheitspolitische Organisation, in der alle europäischen Länder, die Nachfolgestaaten der Sowjetunion, die USA, Kanada und die Mongolei vertreten sind (57. Teilnehmerstaat wurde am 20. November 2012 die Mongolei).

Auch wenn die Zukunft der OSZE fragil erscheint, ihre Arbeit ist notwendiger denn je. Ein Vorstoß der Ukraine, Russland aus der OSZE auszuschließen, ist abgewehrt. Helga Schmidt, OSZE-Generalsekretärin, sprach sich für den Verbleib Russlands aus und stellte mit einer freiwilligen Staatengruppe, darunter auch die Bundesrepublik, ein neues Programm auf die Beine. Seit dem 1. November 2022 unterstützt die OSZE die Ukraine weiter bei ihren Reformen und beim Wiederaufbau.

Ihre neue Rolle hat die OSZE nach dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine noch nicht gefunden. Wir im Westen erinnern uns aber hoffentlich daran, dass sie es war, die einst für Vertrauen unter erbitterten Gegnern sorgte. Und dass es gerade jetzt an der Zeit ist, ihr mehr Aufmerksamkeit, Geld und Expertise zur Verfügung zu stellen. Darauf wollen wir auch mit diesem Schreiben hinweisen.

Europa steht vor der Aufgabe, den Frieden auf dem Kontinent wiederherzustellen und ihn langfristig zu sichern. Dazu bedarf es der Entwicklung einer Strategie zur möglichst raschen Beendigung des Krieges.

Wir verurteilen den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukrain. Wir fordern von der russischen Regierung, die Bombardierung ziviler Ziele und ziviler Infrastruktur in der Ukraine sofort einzustellen. Sie stellen einen Verstoß gegen die Genfer Konvention dar. Alle vermutlichen Kriegsverbrechen sind zu untersuchen und die Verantwortlichen sind vor dem Internationalen Strafgerichtshof anzuklagen.

Die Ukraine hat sich unter anderem dank massiver Wirtschaftssanktionen und militärischer Unterstützungsleistungen aus Europa und den USA bislang gegen den brutalen russischen Angriffskrieg verteidigen können. Je länger die Maßnahmen fortdauern, desto unklarer wird allerdings, welches Kriegsziel mit ihnen verbunden ist. Ein Sieg der Ukraine mit der Rückeroberung aller besetzten Gebiete einschließlich der Oblaste Donezk und Luhansk und der Krim gilt unter Militärexperten als unrealistisch, da Russland militärisch überlegen ist und die Fähigkeit zur weiteren militärischen Eskalation besitzt. Diese – eine weitere schwere Eskalation – wird vor allem bei einem Rückeroberungs-Angriff auf die Krim erwartet.

Die westlichen Länder, welche die Ukraine militärisch unterstützen, müssen sich deshalb fragen, welches Ziel sie genau verfolgen und ob (und wie lange) die Lieferungen schwerer Angriffswaffen weiterhin der richtige Weg sind. Die Fortführung des Krieges mit dem Ziel eines vollständigen Sieges der Ukraine über Russland bedeutet Abertausende weitere Kriegsopfer, die für ein Ziel sterben, das nicht realistisch zu sein scheint.

Die Folgen des Krieges sind zudem nicht auf die Ukraine begrenzt. Seine Fortführung verursacht massive humanitäre, ökonomische und ökologische Notlagen auf der ganzen Welt. In Afrika droht eine Hungerkatastrophe, die Millionen von Menschenleben kosten kann. Rasant gestiegene Preise, Energie- und Nahrungsmangel haben in vielen Ländern bereits zu Unruhen geführt. Auch die Düngemittelknappheit wird sich, wenn der Krieg weitergetrieben wird, global auswirken. Es ist mit hohen Opferzahlen und einer Destabilisierung der globalen Lage zu rechnen. Auch auf internationaler politischer Ebene (G7, G20, UN) werden diese drohenden dramatischen Folgen thematisiert.

Der Westen muss alles daransetzen, dass die Parteien zu einer zeitnahen Verhandlungslösung kommen. Sie allein kann einen jahrelangen Abnutzungskrieg mit seinen fatalen lokalen und globalen Folgen sowie eine militärische Eskalation, die bis hin zum Einsatz nuklearer Waffen gehen kann, verhindern. Deutschland trägt eine große historische Verantwortung und verfügt über gute Voraussetzungen dafür, die Menschen in den betroffenen Regionen im Wiederaufbau für ein menschenwürdiges Zusammenleben, die zunehmende Befreiung vom Druck des Krieges und für eine zivile Entwicklung zu unterstützen.

Wir fordern Sie auf, die OSZE mit allen ihren friedensschaffenden und – sichernden Mitteln als Ganzes sowie ihre jetzt anstehende Parlamentarische Versammlung zu nutzen, um Verhandlungen über einen Waffenstillstand zu beginnen.

Mit freundlichen Grüßen

Maria Feckl
Projektleitung
Internationale Münchner Friedenskonferenz