Videoaufzeichnungen der einzelnen Reden und der Abende der Friedenskonferenz
Viel Wirbel um… nichts?
Im Vorfeld der Internationalen Münchner Friedenskonferenz 2025 gab es einige Medienberichterstattung über die Organisation der Friedenskonferenz. Vor allem ging es dabei um die kurzfristige Kündigung des Mietvertrags durch die Katholische Akademie in Bayern im Dezember (u.a. aufgrund von Befürchtungen, dass die „Grenze des Sagbaren“ überschritten werden könne) sowie den Auftritt von Francesca Albanese, UN-Sonderberichterstatterin über die Menschenrechtslage in den seit 1967 besetzten palästinensischen Gebieten. Über die tatsächliche Veranstaltung wurde kaum berichtet, außer auf einschlägigen Instagram-Kanälen und dort nur bruchstückhaft. Hier also ein Überblick.
Freitagabendprogramm
Die Videoaufzeichnung des ganzen Abends finden Sie HIER
Das Freitagabendprogramm der Friedenskonferenz 2025 trug den Titel “Fundamente des Friedens – Das Friedensgebot des Grundgesetzes, die Friedenslogik und ihre Herausforderungen“. Die Idee war es, zu erörtern, ob es in Deutschland Fundamente gibt, auf die eine Politik, die tatsächlich an Frieden interessiert und orientiert ist, aufbauen kann.
Den Anfang machte Prof. Dr. Heribert Prantl, Rechtswissenschaftler, Journalist und Kolumnist bei der Süddeutschen Zeitung, u.a. mit einem historischen Exkurs zum Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee im Jahr 1948.
Heribert Prantl beschreibt hier also, dass ein Fundament des Friedens im Grundgesetz gelegt wurde, in Form des Friedensgebots – dass aber in den folgenden sieben Jahrzehnten versäumt wurde, dieses Gebot auszuarbeiten und zu praktizieren.
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Prof. Dr. Hanne-Margret Birckenbach
Im Anschluss an Heribert Prantl sprach Prof. Dr. Hanne-Margret Birckenbach, Professorin für Friedens- und Konfliktforschung, über Ideen dazu, wie und mit welchen Inhalten das Friedensgebot gefüllt werden könnte.
Frau Birckenbach spricht hier den Kerngedanken des Titels der Veranstaltung, “Fundamente des Friedens”, an. Mit diesem Titel und diesem Ansatz ging es uns nicht nur darum, zu zeigen, dass Fundamente des Friedens in den Verfassungen und Institutionen von Nationalstaaten und auch im internationalen System verankert sind. Denn sie sind dort nicht zufällig verankert, sie sind kein Geschenk der Nationalstaaten an ihre Bürger, sondern sie wurden von Menschen, von Gesellschaften erkämpft und können nur dann tragfähig sein, wenn sie von Gesellschaften aufrechterhalten werden.
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Kerem Schamberger holt die Friedenskonferenz mit seiner Rede in den gegenwärtigen politischen Moment zurück, eine Woche vor der Bundestagswahl. Die Politk sowie die Wahlkampfrhetorik fast aller etablierter Parteien bezeichnet Schamberger als “Ausrufung eines Krieges gegen die Migration”. Ein Krieg gegen Migrant*innen und geflüchtete Menschen, der von der EU vor allem an ihren Außengrenzen betrieben wird, worüber Schamberger ausführlich berichtet. Doch der Grundrechteabbau, den dieser Krieg mit sich bringt, wird sich nicht auf Migrant*innen und geflüchtete Menschen beschränken.
Kerem Schamberger schließt mit folgenden Worten, die das Freitagabendprogramm der Friedenskonferenz 2025 schön abrunden: “Das Recht auf Bewegungsfreiheit zu verteidigen sehen wir als eine – vielleicht die zentrale – Aufgabe im Kampf gegen den weltweiten Autoritarismus. Es geht im Kern auch darum, ein demokratisches Europa zu verteidigen, das auf dem Universalismus der Menschenrechte fußt, Menschenrechte, die für alle gelten müssen.”
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Samstagabendprogramm
Die Videoaufzeichnung des ganzen Abends (Englisch Original) finden Sie HIER.
Die Videoaufzeichnung des ganzen Abends (Deutsch) finden Sie HIER
Titel des Samstagabendprogramms war “Wege zur Gerechtigkeit – Völkerrecht und Dialog”. Ähnlich wie am Freitagabend wollten wir auch hier eine prinzipielle Debatte über die Möglichkeiten und die Realität von friedensstiftender Politik führen – aber eben nicht nur bezogen auf Deutschland und die EU, sondern auf internationaler Ebene.
Als wir aber Francesca Albanese und Dr. Gershon Baskin als Referent*innen gewinnen konnten, war schnell klar, dass der Fokus des Samstagabendprogramms ganz klar auf dem Krieg in Gaza liegen würde.
Wir beginnen mit Francesca Albanese, Sonderberichterstatter für die Menschenrechtslage in den seit 1967 besetzten palästinensischen Gebieten.
Francesca Albanese spricht u.a. über den Vorwurf des Völkermords gegen Israel, aufgrund der Kriegführung in Gaza. Sie führt die Leugnung dieses Vorwurfs – sowie die Rechtfertigung der israelischen Kriegführung – durch die israelische Regierung und ihre Verbündeten, allen voran die deutsche Regierung, darauf zurück, dass diese Regierungen die Vergangenheit und das Fortwirken von Ausbeutung, Kolonialismus und Imperialismus nicht anerkennen. Selbst im Falle Deutschlands, dessen Erinnerungskultur bezüglich des Holocausts Francesca Albanese an anderer Stelle hervorhebt, scheint ihr die geschichtliche und politische Aufarbeitung nicht vollständig oder hinreichend zu sein. Im gleichen Zuge wird das Recht auf Selbstbestimmung, in diesem Fall des palästinensischen Volkes, nicht anerkannt. Diese Unfähigkeit oder dieser Unwillen, die grundlegenden Herrschafts- oder Machtverhältnisse anzuerkennen, führt dazu, dass die Verbrechen nicht gesehen werden. Francesca Albanese ordnet den Vorwurf des Völkermords gegen Israel damit ein in eine Reihe kolonialer Verbrechen, z.B. der angelsächsischen Siedlerkolonien in Nordamerika und Ozeanien.
Damit liegt ihre Einordnung des Gaza-Kriegs, bzw. des Konflikts in Palästina und Israel, weit jenseits der Einordnung der deutschen Bundesregierung, des Großteils der deutschen Parteienlandschaft sowie des Großteils der veröffentlichten Meinung in Deutschland. Diese Diskrepanz wird in der Regel leider nicht als Anlass zu juristischer oder politischer Debatte mit Francesca Albanese aufgegriffen – stattdessen wird ihre Position marginalisiert und sogar kriminalisiert. Die Erfahrungen, die Francesca Albanese in Deutschland gemacht hat – die Einschüchterung durch die Polizei, die Verhinderung ihrer Vorträge durch Kommunen oder Universitäten – sprechen leider für ihre These, dass hierzulande wenig Interesse daran besteht, Machtverhältnisse zu hinterfragen.
Wenig später sagt sie: “International law should be the cure to these horrors” – Das Völkerrecht sollte diese Schrecken heilen. Damit benennt sie eine Konfliktbearbeitungsstrategie, die sich deutlich von der Strategie von Dr. Gershon Baskin unterscheidet.
Die Videoaufzeichnung (englisch Original) finden Sie HIER
Die Videoaufzeichnung (deutsche) finden Sie HIER
Gershon Baskin ist bekannt als Friedensaktivist und für seine Tätigkeit als Unterhändler zwischen Israel und der Hamas. 2011 leistete er einen entscheidenden Beitrag zu den Verhandlungen zwischen Hamas und der israelischen Regierung, die in der Freilassung des israelischen Soldaten Gilad Shalit und über 1000 palästinensischer Gefangener resultierten.
Gleich zu Beginn seines Beitrags auf der Münchner Friedenskonferenz stellt Gershon Baskin fest: “I have zero confidence in international law.”
Aufgrund der Vorwürfe, die Gershon Baskin deshalb gemacht wurden, weil er mit Francesca Albanese eine Bühne teilt, stellt er zu Beginn seiner Rede fest, dass die meiste Kritik am Vorgehen der israelischen Regierung gerechtfertigt ist und nicht per se als antisemitisch gewertet werden kann.
Im weiteren Verlauf bedauert er, dass die Mittel des Völkerrechts, sei es der UN-Sicherheitsrat, der Internationale Gerichtshof oder der Internationale Strafgerichtshof, bisher kaum etwas ausrichten konnten, hinsichtlich der Gewalt und der Verbrechen in Palästina und Israel.
Gershon Baskin ist überzeugt, dass die Lösung aus Palästina und Israel selbst kommen muss. Der Terroranschlag vom 7. Oktober 2023 sowie der darauf folgende Krieg und seine Verbrechen zeigen gleichzeitig, warum eine Lösung so schwierig und so dringend notwendig ist. Die Traumata könnten kaum größer sein; für Israelis knüpfen sie an an das Trauma der Shoa, für Palästinenser an das Trauma der Nakba.
Die Videoaufzeichnung (Deutsch) finden Sie HIER
In Folge der beiden Redebeiträge entwickelte sich eine sehenswerte Debatte, in der Francesca Albanese Gershon Baskin vorwarf, die israelische Besatzung zu normalisieren. Weiterhin warf sie ihm vor, die Bedeutung des Völkerrechts kleinzureden.
Gershon Baskin hielt dagegen; er wünsche sich, dass das Völkerrecht eine bedeutendere Rolle in der Konfliktbewältigung spielen würde, in der Realität sei das aber nicht der Fall.
Für eine hitzige Diskussion sorgte wohl auch, dass Francesca Albanese vornehmlich die Asymmetrie des Konflikts betonte, während Gershon Baskin wert darauf legte, dass es keine militärische Lösung des Konflikts geben könne.
Die Videoaufzeichnung der Debatte finden Sie HIER
Workshops
Über die beiden Abendveranstaltung hinaus gab es noch ein breites Angebot an Workshops:
„Friedensfähig statt kriegstüchtig werden? Wie du dich für Frieden einsetzen kannst.“ mit Sandra Klaft, Peace4Future
„Friedenstüchtig werden. Das Prinzip der Dialogverträglichkeit“ mit Prof. Dr. Hanne-Margret Birckenbach
„Samba für den Frieden – Trommelworkshop für Einsteiger“ mit Thomas Rödl (DFG-VK Bayern)
„Kampagne: Friedensfähig statt erstschlagfähig. Für ein Europa ohne Mittelstreckenwaffen!“ mit Simon Bödecker (Ohne Rüstung Leben)
Außerdem fand das Friedensgebet der Religion statt, diese Jahr zum Thema „Der Friede – Meisterstück der Vernunft“ (nach I. Kant)
Die Internationale Münchner Friedenskonferenz wird ausschließlich von zivilgesellschaftlichen Organisationen auf die Beine gestellt, zum größten Teil in ehrenamtlicher Arbeit. Diese Arbeit wird seit einigen Jahren erschwert durch das Ausbleiben öffentlicher und kirchlicher Fördermittel sowie der Schwierigkeit, zuverlässige Eventlocations zu finden. Durch eine Spende können Sie einen unverzichtbaren Beitrag dazu leisten, dass wir die Friedenskonferenz trotz dieser Widrigkeiten durchführen und somit der Münchner Sicherheitskonferenz weiterhin eine kritische Perspektive gegenüberstellen können!
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